#8 Sendepause N°1 Die Entscheidungen

Was ist eine Sendepause?

Was ist eine Sendepause? Ich mache Pause von "meinen Sendungen" mit einem offenen Ende. Konkret verlasse ich meinen bisherigen beruflichen Weg ohne konkrete Pläne oder Ziele. Keine Reisepläne oder Projekte oder neue Herausforderungen - Pause für Kopf & Körper. Und die Leere, welche mit dieser Pause entsteht, lasse ich zu.
Meine Sendepause startete vor zwei Jahren und sie dauerte 7 Monate. Der Entscheid für eine solche Pause und diese "Leere" habe ich aber viel früher getroffen. Denn es gibt einen Unterschied bereit zu sein für eine Sendepause und es dann wirklich zu tun. 

Ich erzähle hier, wie es zum Entscheid für diese Sendepause kam.

Freude & Begeisterung

Was ich tue, tue ich mit 100% Passion, Freude & Engagement. In einem Familienbetrieb aufgewachsen, arbeitete ich bereits im Kindergartenalter begeistert mit den "Grossen" und verdiente mein erstes, eigenes Geld. Diese Begeisterung & Freude für mein Tun begleiten mich während all meinen Jobs. Natürlich gab's auch Arbeiten, welche weder meinen Stärken entsprachen noch zu Jubelschreien führten. Hie und da hatte ich meinen inneren Schweinehund zu bodigen, da ich die Erfahrung gemacht habe, dass Licht und Schatten zusammengehören.

Abwesenheit von freude

Ich war mit Leib und Seele Führungskraft von grösseren Teams in der Deutschschweiz und Romandie im Bereich Marketing & Kommunikation. Diese Führungsarbeit war Passion und Herausforderung zugleich. Bis zu dem Moment, wo es sich veränderte - wo mir die Abwesenheit von Freude & Begeisterung bewusst wurde. Es war ein Schock. Ich hatte weder eine Erklärung für diese Empfindungen noch wusste ich, ob es einen Weg "zurück" gibt.

Verdrängen geht gut

Nach dem ersten Bewusstwerden kam die Verdrängung. "Ach, da ist ja nix, das ist nur eine Phase, weitermachen...". Aber die Anzeichen wurden immer deutlicher:

  • Ich hatte das Gefühl, ich stecke fest.
  • Ich hatte den Eindruck, alles in diesem Job erfahren zu haben - sprich neue Erfahrungen sind nicht mehr möglich.
  • Ich fühlte mich nicht mehr lebendig bei meiner Arbeit.
  • Ich wünschte mir den Bruch meiner Routinen.

Entscheid 1: "ich gehe..."

Ich suchte nach Gründen, warum sich meine Freude & Begeisterung aus dem Staub gemacht hatten. Ich klapperte alle Orte ab, um Freude & Begeisterung wieder in den Rucksack stecken zu können. Ich fand dabei viele Dinge, die mir noch Freude bereiteten: die Führungsarbeit als solches, die gemeinsame Arbeit in Projekten und das Erreichen von herausfordernden Zielen. Aber im Innersten wusste ich bereits, dass meine "Arbeit grundsätzlich getan war - es war zu Ende".
Ich wollte die Situation in der ich steckte nicht wahrhaben, ich machte Täuschmanöver, schlug Haken wie der flinkste Hase... und doch wurden die unausweichlichen Konsequenzen immer klarer: Ich werde diesen Job verlassen - "ich gehe". Ein Abschied von einer Führungsarbeit, zu der ich mich berufen fühlte. Mit dieser Klarheit kehrte in einem ersten Schritt Ruhe ein. Diese Ruhe hatte aber einen engen Begleiter: die Angst. 

VOn der Angst zur Dankbarkeit

Die Klarheit zu haben, dass ich meinen Job verlassen werde, ist nicht dasselbe, wie diesen Entscheid in die Tat um zu setzten. Denn dazu benötigte ich viel Mut. Warum es Mut braucht? Weil Ängste sich zeigten. Angst davor, meine "Arbeitsfamilie" zu verlassen, das Gefühl die Mitarbeitenden im Stich zu lassen. Viele dieser Mitarbeitenden habe ich über mehrere Jahre begleitet und diese Arbeit war der Kern meiner Freude. 

Daneben ist es so eine Sache, wenn ein Mensch sich mehrheitlich über seine Arbeit definiert: was passiert in diesem Fall, wenn er diese Arbeit aufgibt? Zerfällt dieser Mensch in seine Einzelteile? Heute weiss ich, dass dies nicht der Fall ist. Denn ich habe die Erfahrung gemacht: Weder habe ich die Mitarbeitenden im Stich gelassen noch bin ich in meine Einzelteile zerfallen. Aber bis ich den Mut fand, meinen inneren Entscheid zu akzeptieren und auch nach aussen zu tragen, war es ein langer Prozess mit vielen Stolperfallen und schmerzenden Schürfwunden. Ein Prozess, in dem ich Ängste ablegte, Schicht um Schicht, um dann mit freiem und dankbarem Herzen voranzuschreiten. Dankbar für eine reiche, wertvolle Zeit mit so vielen Erfahrungen im Koffer, würde ich einen Langstreckenflug antreten, müsste ich Übergepäck bezahlen.

Der ultimative Mut-Kick

Gab es diesen ultimativen Mut-Kick? Also das Ereignis, welches meinen Entscheid "zu gehen" ausschlaggebend beeinflusste. Jein.

Es gab immer wieder Ereignisse während der Arbeit, welche mich in meinem Vorhaben bestätigen. Beispielsweise ein Konflikt aufgrund unterschiedlicher Werthaltungen, welcher ein Gefühl von "ich stecke hier fest, freudlos" auslöste. Das heisst, meine Ich-gehe-Brille sah genau, was sie sehen wollte. Natürlich gab es auch die anderen Momente. So zum Beispiel die Team-Weihnachtsfeier am Lac Leman, wo ich meinen noch nicht  kommunizierten Entscheid grundlegend anzweifelte. Ich hatte die Kommunikation, dass "ich gehe" - sprich kündige - auf Ende Jahr geplant und die Vorstellung davon machte mich tieftraurig. 

  • Willst du wirklich dieses Team verlassen? Es steckt so viel Arbeit und Leidenschaft in deinem Job.
  • Wie kannst du etwas aufgeben, ohne zu wissen was danach kommen wird? Vielleicht kommt "nichts"?
  • Und dein Status? und deine finanzielle Situation?

Und doch waren es genau diese Zweifel, die meinen Entscheid immer weiter festigten. Wie das geht: loslassen und nicht mehr kämpfen wollen. Ich fasste immer mehr Vertrauen in das, was kommen wird. Ich fasste Vertrauen in das Leben.


Was bedeutet das jetzt: Mein Mut-Kick war ganz zu Beginn des Prozesses. Es war das glasklare Gefühl "meine Arbeit ist hier zu Ende". Diese tiefe innere Überzeugung, dass eine Zeit zu Ende geht und etwas Neues entstehen kann. Diese Überzeugung wurde dann von Ängsten und Zweifeln überlagert. Daher war es ein Prozess der Ablösung. Ein Ablösen dieser Ängste und Zweifel, um zum definitiven Entscheid "ich gehe" zu gelangen, welcher schon seit Beginn des Prozesses da war.

...was kommt danach?

Auf dem Weg den inneren Entscheid "ich gehe" zu akzeptieren, stellt sich natürlich auch die eine Frage: Was kommt danach? Vielleicht fällt es ja "einfacher" meinen Entscheid umzusetzen, wenn ich ein "Ersatz-Tun" habe? Sicherlich fällt es einfacher, mit einem schicken Ersatz-Tun meinen Entscheid nach aussen zu kommunizieren.
Ein Meer von Möglichkeiten:
  • Motivierte Projekte und neue Führungsarbeit? Nein.
  • Weltreise? Nein.
  • Retreat in Indien? Nein. 

eNTSCHEID 2: sENDEPAUSE

Das Meer von Tun-Möglichkeiten hatte für mich nichts Passendes. Was jetzt? Eine Pause.
Kopf & Körper machen Pause. Mut zur Leere. Mut zur Sendepause mit offenem Ende.
Zugegeben, es gab Sendepause-Absichten:
  • Zeit haben mit Paten-Kindern 
  • Crawlen lernen (und den Thunersee durchqueren, was bis heute noch auf der Liste steht :-))
  • Bergtäler zu Fuss erkunden

REaktionen auf meinen Entscheid

Dann kommt der Moment, wo ich mein Umfeld über meine Entscheide informiert habe. Ich habe unterschiedlichste Reaktionen erlebt. Jede einzelne bestärkte mich auf meinem Weg. Warum? Weil jede einzelne Reaktion mit zeigte, wo ich gerade stehe und was mein Umfeld beschäftigt. Beispiele für Reaktionen:

  • Ich möchte/will das auch, habe nicht den Mut, die Möglichkeit, die Ressourcen...
  • Bitte geh nicht... und doch kann ich dich verstehen.
  • Was tust du während der Sendepause? ...aha, nichts.
  • Was tust du danach? ...aha, keine Pläne. Du gibt’s also alles auf? Bist du sicher?
  • Aha, das ist also eine Sendepause....

Was braucht's auf diesem weg

Ich hatte und habe Menschen an meiner Seite, die unabhängig von meinem Tun mein Wesen schätzen. Diese Menschen bekräftigen mich, meinen Weg mutig zu gehen. Sie erklärten mir, dass Ängste in dieser Situation normal sind und dass Entscheidungen immer ein Prozess sind. Diese Menschen waren neben der eigenen Kraft & Geduld, Veränderungs- & Risikobereitschaft die wichtigste Ressource auf meinem Weg. 

Was braucht's noch: ein finanzielles Fettpolster, damit die Sendepause auch eine Sendepause ist und nicht für den Broterwerb genutzt werden muss. Und dann tut man/ tat ich es einfach.

In "Sendepause" N°2 erzähle ich über meine Erfahrungen in meiner Sendepause und über das "und dann?". 

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Kommentare: 1
  • #1

    Signouer (Samstag, 27 Juni 2020 15:44)

    Liebe Sandra
    Sehr schön geschrieben.
    Liebe Grüsse und auf bald einmal in den Bergen irgendwo
    Dr Signouer